Psychosoziale Therapien bleiben unberücksichtigt
Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik sind wichtige Arbeitsfelder für Künstlerische Therapeutinnen und Therapeuten. In den vergangenen Jahrzehnten wurden die spezifischen Möglichkeiten der Kunst‐, Musik, Tanz und Theatertherapie, die diese besonders für verbal nicht gut erreichbare Patient*innen bieten, wesentlich weiterentwickelt. Die Behandlung mit künstlerischen Mitteln und Prozessen konnte ihre spezifische Wirkung in zahlreichen Studien belegen und wurde deshalb auch in relevanten Leitlinien verankert. Parallel entwickelten sich auch Ausbildungen und qualitätssichernde Aktivitäten der Berufs‐ und Fachverbände, so dass heute eine flächendeckende Versorgung mit qualifizierten Künstlerischen Therapeutinnen und Therapeuten sichergestellt ist.
Vom Richtlinienentwurf des Gemeinsamen Bundesausschusses (G‐BA) zur Personalausstattung in Psychiatrie, Kinder‐ und Jugendpsychiatrie sowie Psychosomatik erwartete schon vor der hinausgeschobenen Veröffentlichung des Textes niemand mehr die in vielfältigen Stellungnahmen vorgeschlagenen Verbesserungen. Für Künstlerische Therapien, andere Fachtherapien und Sozialdienste wurde aber über die allgemein kritisierten Punkte hinaus jegliche Verbesserung verhindert. Die Orientierung an AWMF‐ Leitlinien (z. B. S3‐Leitlinie Psychosoziale Therapie für Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen) erfordert eine deutliche Anpassung der Personalressourcen und ist mit der verabschiedeten Richtlinie nicht zu realisieren.
Wie in anderen Berufsgruppen sind auch in den Fachtherapien und der Sozialen Arbeit die fachlichen Entwicklungen seit der Festlegung der ehemaligen Psych‐PV vor 30 Jahren vorangeschritten, die für eine verbesserte Versorgungsqualität in den Kliniken sorgen. Es ist daher weder nachvollziehbar noch fachlich erklärbar, warum die Personalzahlen und Regelaufgaben in diesen Berufsgruppen unverändert übernommen wurden.
Keine eigenen Personalvorgaben für Künstlerische Therapie – getrennt von Ergotherapie
Darüber hinaus hatten die Deutsche Musiktherapeutische Gesellschaft und die Wissenschaftliche Fachgesellschaft für Künstlerische Therapien die Aufnahme einer eigenen Vorgabe für Personal der Künstlerischen Therapien (getrennt von der Ergotherapie) als vor dem GBA anhörungsberechtigte Fachgesellschaften empfohlen. Auch der Deutsche Verband der Ergotherapeuten hatte eine entsprechende Empfehlung abgegeben. In der nun veröffentlichten neuen Richtlinie bleibt die kritisierte Zusammenlegung der beiden Berufsgruppen weiter erhalten, ergänzt um eine Öffnung für weitere unter der Überschrift „Spezialtherapien“. Damit wird ohne sachgerechte Empfehlung jegliche Personalentscheidungen bzgl. dieser Berufsgruppen den zufällig in einzelnen Kliniken vorliegenden Gegebenheiten überlassen. Im Gegensatz dazu sind für Bewegungstherapie und Sozialdienste eigene Personalvorgaben in der neuen Richtlinie enthalten.
Abgesehen von der fehlenden Orientierung an Vorgaben ist der gewählte Begriff „Spezialtherapien“ ungeeignet und bereits innerhalb der Richtlinie in unterschiedlichen Definitionen verwendet. Damit wird Verwirrung geschaffen, statt für eine zeitgemäße Patientenversorgung klare Vorgaben zu erarbeiten.
Düstere Aussichten
Sollte der G‐BA auch bei der vorgesehenen Evaluation und Weiterentwicklung der Richtlinie weiterhin Fachkräfte für Fachtherapien und Soziale Arbeit ausschließen, so ist vorhersehbar, dass den Patient*innen weiterhin ein erheblicher Teil der aktuell verfügbaren und in Leitlinien vorgesehenen Behandlungsmöglichkeiten vorenthalten bleiben. Die zum Beispiel in der S3‐Leitlinie „Psychosoziale Therapien bei schweren psychischen Erkrankungen“ beschriebenen Tätigkeiten in den Bereichen der Künstlerischen Therapien, der Ergotherapie, der Bewegungstherapie und der Sozialen Arbeit finden sich in den aus der alten Psych‐PV übernommenen Regelaufgaben nicht wieder und sind offensichtlich auch in den nun festgelegten Minutenwerten nicht berücksichtigt. Wie unter diesen Rahmenbedingungen leitliniengerechte Behandlung in diesem Bereich geleistet werden soll ist nicht erkennbar.
So sehr auch wir die Anhebung der Zeiten für Psychotherapie begrüßen: die Entwicklung der vergangenen 30 Jahre für andere Berufsgruppen zu ignorieren, zeugt nicht von sorgfältigem Erheben der entsprechenden Grundlagen und weckt den Verdacht einer Klientelpolitik, die Fachlichkeit eher nachrangig berücksichtigt. Die Richtlinie verhindert somit eine fachliche Weiterentwicklung der Psychiatrie und Psychosomatik in einem multiprofessionellen und am Bedarf der Patient*innen orientierten Sinne und verschärft die prekäre Versorgungssituation für psychisch Kranke und deren Angehörige.
Fazit
Es ist aus unserer Sicht mehr als bedauerlich, dass ein derartig aufwändiges Verfahren wie die Erarbeitung der Richtlinie durch den entsprechenden Unterausschuss des G‐BA zu so inkonsistenten, auch durch Hinweise in Stellungnahmen der entsprechenden Fachgesellschaften nicht korrigierten, Ergebnissen führen kann.
Als BAG KT bedauern wir sehr, dass die jetzt beschlossene PPP‐RL für die Patientinnen und Patienten bzgl. der Künstlerischen Therapien nicht nur zu keinen Verbesserungen, sondern de facto zu Verschlechterungen führen wird. Die Politik ist aufgefordert, hier rasch zu handeln und ein Umsteuern mit dem Ziel einer modernen und leitliniengerechten Behandlung unter Berücksichtigung handlungsorientierter Therapien sowie Teilhabe und Gesundheitskompetenz zu ermöglichen.
Dieser Beitrag als PDF: Stellungnahme der DMtG zum G-BA-Beschluss RL PPP 2019-12-17_